Kritische Betrachtung zur Anwendung von "Zauberkästchen"
Müller, M.; Harborth, T.;
Quelle: B +B Bauen im Bestand, 2001
ISSN: 0170-9267;
Standort in der IRB-Bibliothek: DEIRB Z 1238
Der Begriff "Zauberkästchen" oder auch "Wunderkästchen" ist in der Literatur seit Jahren gängig. Bezeichnet werden damit Geräte zur Mauerwerkstrockenlegung, die diese mittels Funkwellen oder sogenanntem "Gravo-Magnetismus" erreichen sollen. Die Autoren nehmen eine technische und rechtliche Bewertung vor. Meinungsstreit: Während die Fachwissenschaft einhellig die Wirksamkeit der Geräte bestreitet, verweisen deren Vertreiber auf eine weite Verbreitung in der Praxis sowie auf Referenzen. Hiermit soll die verständliche Schilderung von Versuch, Grenzwertbetrachtung und Rechts-Hinweis es dem Bautenschützer möglich machen, Position zu beziehen.
Technische Beurteilung:
Messungen zur praktischen Wirksamkeit von sogenannten Zauberkästchen wurden bereits durch die TU Wien und die ETH Zürich durchgeführt. Eine Wirksamkeit konnte in keinem Versuch, weder am Bauwerk noch unter Laborbedingungen, festgestellt werden.Theoretisc Erklärungsversuche der Vertreiber sind nach Einschätzung der Verfasser wenig aufkläre Es wird auf den Effekt der Elektroosmose verwiesen, aber nicht erklärt wie dieser Eff Hilfe von Funkwellen realisiert werden soll. Ein entsprechender Versuchsaufbau, der u Laborbedingungen funktioniert, ist bisher noch nicht vorgestellt worden. Einen einfac durchzuführenden Versuch hat ein Verfasser in einer Fernsehsendung bereits vorgestell eine Wanne wird in einem Wasserbad ein Ziegel hochkant gestellt. Das Wasser steigt zunächst kapillar auf. Nach kurzer Zeit erreicht die Wasserfront die Oberkante des Zi Über einen Vergleich des Gewichtes des trockenen und des nassen Ziegels kann der Wassergehalt festgestellt werden. Im Wirkbereich eines "Zauberkästchens" sollte nun d Wassergehalt über die Zeit reduziert werden. Im Versuch für die Fernsehsendung konnte über einen längeren Zeitraum keine Reduktion des Wassergehaltes festgestellt werden. Rechenexempel:
Dass die Aussagen zur Trockenlegung mancher Anbieter bereits durch einfachste Abschätzungen in recht eigenartigem Licht erscheinen, soll im Folgen gezeigt werden. Selbst wenn man den - unhaltbaren - Behauptungen der Anbieter folgt, mit Hilfe von Funkwellen eine Mauerwerkstrockenlegung erreicht werden kann, müssen wenigstens physikalische Grundgesetze eingehalten sein. Da sich eine größere Anzahl v Anbietern von "Zauberkästchen" in einem Verband (EURAFEM) zusammengeschlossen hat, der eine Art Gütesiegel (Zertifikat) zu verleihen plant, soll das Produkt eines diese betrachtet werden. Von der Homepage wurden die relevanten Angaben zu einem sogenannten LE-System entnommen - Radiuswirkung in der Standardausführung bis R = 16 m, Leistung ca. 0,000018 W. Prinzipiell gibt es eine Analogie zwischen dem Problem, Wasser im Mauerwerk gegen die Kapillarkraft abzusenken und dem Problem, Wasser gegen die Schwerkraft hochzupumpen. In beiden Fällen ist die Energie notwendig, die der potentiellen Energie der Wassersäule entspricht. Zunächst steigt das Wasser durch die Kapillarkraft nach oben. Durch den Betrieb des "Zauberkästchens" soll sich die Wasser wieder absenken. Dabei wird die potentielle Energie der Wassersäule freigesetzt.
Schon unter den folgenden Randbedingungen müsste mindestens gleichviel Energie zugefügt werden:
- Keine Durchgangsverluste durch die Wand
- Keine Energieverluste durch Decke und Boden
- Nur Außenwände vorhanden
- Vollständige Umsetzung der elektrischen Energie zum Absenken des Wassers.
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
V = 4 x Wurzel aus 2 x R x h x d;
M = M% x V x p;
E pot = M x g x h/2;
E el = P x t;
E pot = E el;
t = 2 x Wurzel aus 2 x R x h2 x d x p g x M% dividiert durch P
Berechnungsgrundlage:
R = 16,0 m Wirkradius
h = 1,50 m Höhe der Wassersäule
d = 0,365 m Wanddicke
r = 1600 kg/m3 Rohdichte des Mauerwerks
M% = 0,01 Wassergehalt des Mauerwerks
g = 9,81 m/s2 Erdbeschleunigung
P = 0,000018 W Sendeleistung
V = Volumen des feuchten Mauerwerks
M = Masse des Wassers
t = Sendedauer
E el = Elektrische Energie
E pot = Potentielle Energie
t = 2 x Wurzel aus 2 x 16,0 x 1,502 x 0,365 1600 x 9,81 x 0,01 dividiert durch 0,000018 = 324083443 s.
Das bedeutet also: t = Jahre. Das Einsetzen der Werte zeigt, dass mit den angegebenen Werten die behauptete Trocknung nicht erreicht werden kann: Um 1,0 M% Wasser aus der Wand zu entfernen, müsste das Gerät mit den eingesetzten Daten 10 Jahre in Betrieb sein!
Rechtliche Beurteilung:
Das Bauvertragsrecht hebt bei der Beurteilung von Leistungen auf die anerkannten Regeln der Technik ab VOB 4 (2) und 13 (1). Diese sind eingehalten, w die Regel von der Fachwissenschaft als richtig erkannt wird und sich in der Praxis be hat. Während eine gewisse Verbreitung der "Zauberkästchen" tatsächlich vorliegt, kann einem positiven Befund der Fachwissenschaft jedoch nicht ausgegangen werden. Die "Zauberkästchen" sind damit nach VOB õ 13 (7) als mangelhaft zu bezeichnen. Dies wurd in dem Artikel von V. Hafesbrink: Elektroosmotische Trockenlegung, Bautenschutz und Bausanierung, Heft 3, 2001 noch einmal prägnant zusammengefasst. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch õ 633 (1) impliziert nach übereinstimmender Auffassung der Rechtslehre und BGH-Rechtsprechung ebenfalls die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik.
Nur ein kleiner Teil von laufenden Verfahren gegen Verkäufer besagter Geräte
Aquapol
Landgericht München I, 23.10.2008Landgericht Bayreuth, 15.05.2009Landgericht Frankfurt (Oder), 05.06.2009
Landgericht Darmstadt, 07.07.2009
Aqualan
Oberlandesgericht Düsseldorf, 7.07.2009
Biopol
Landgericht München II, 02.01.2009
Landgericht Berlin, 16.01.2009
Landgericht Ansbach, 23.01.2009
Landgericht Braunschweig 14.01.2009
Hydrosan
Landgericht Dessau-Roßlau 19.11.2008
Landgericht München II, 02.01.2009
Oberlandesgericht Naunburg, 29.05.2009
HOTEC
Landgericht München I, 04.08.2008
NET (Naturenergietechnik)
Landgericht Dresden, 23.01.2009
Zum Aquapol Urteil des Landgerichts München I vom 23.10.2008
In dem Urteil das der Verband Sozialer Wettbewerb gegen die Firma Aquapol erwirkt hat, führt das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen wie folgt aus:
Mit den untersagten Werbeaussagen verstoße die Firma Aquapol gegen die Bestimmungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb.
Die behaupteten Wirkungen des umgangssprachlich sogenannten “Zauberkästchens” können nicht wissenschaftlich nachgewiesen oder bestätigt werden.
Ein derartiger Nachweis ergäbe sich nicht einmal aus den eigenen Behauptungen der Vertreiberin.
Außer den von der beklagten Firma behaupteten Werbesprüchen gäbe es keinerlei Nachweise dafür, dass die Aussagen tatsächlich richtig sein könnten.
Im Prozeß ließ die Vertreiberin der “Zauberkästchen” selber einräumen, dass “zum jetzigen Zeitpunkt der Nachweis nach den Regeln der anerkannten Physik nicht durchführbar sei”.
Ferner muss die Beklagte einräumen, dass die Wirkung der beworbenen Geräte durch Sachverständigengutachten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich sei. Zur Zeit sei nicht nachzuweisen, dass eventuelle Trocknung von Mauern und Gebäuden tatsächlich auf den Einsatz der beworbenen Geräte zurückzuführen sei.
Sofern sich der Feuchtigkeitsgehalt von Gebäuden verbessere, können derartige Ergebnisse nicht als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse diesen Geräten zugeschrieben werden.
LG München 1, 4HK 0 21180/07